Carculator – Hitzige Debatten um CO2 von ICEs vs. BEVs
Das Thema CO2 und die Diskussion darüber, welche Fahrzeugtypen bzw. Motorisierung mehr Sinn für die Umwelt macht, lässt viele nicht los. In vielen Foren im Internet, auf Social Media Kanälen und in Chats wird hitzig darüber diskutiert, ob nun Autos mit Verbrennungsmotoren (ICE) oder Autos mit Batterien, die rein elektrisch fahren (BEV) mehr CO2 verursachen oder nicht. Oft wird die Diskussion um CO2 sinnbildlich für die Frage, welche Strategie verfolgt werden sollte, gestellt. Dabei gibt es dabei ja noch viel mehr zu beachten. Wirtschaftliche Vorteile sollte man in Kombination mit nachhaltiger Umweltbetrachtung eben auch betrachten. Sei es nun wie es sei, das Paul Scherrer Institut in Villigen und Würenlingen hat in dem ersteren Fall etwas mehr Licht in das Dunkel gebracht.
Das Paul Scherrer Institut ist ein multidisziplinäres Forschungsinstitut für Natur- und Ingenieurwissenschaften in der Schweiz. Es liegt auf dem Gebiet der Gemeinden Villigen und Würenlingen im Schweizer Kanton Aargau beidseits der Aare und gehört zum ETH-Bereich der Schweizerischen Eidgenossenschaft. So beschreibt es der Wikipedia-Eintrag.
Der Carculator
Das PSI hat nun eine Software online zur Verfügung gestellt, mit der man gratis Fahrzeugtypen auf die gesamte CO2 – Erzeugung hin untersuchen kann. Und zwar von Anfang der gesamten Beschaffungs- und Produktionskette bis hin zu der Entsorgung bzw. dem Recycling der Stoffe. Inklusive aller Betriebsstoffe und Wartung. Die Software kann man sowohl online unter https://carculator.psi.ch/ – als auch als Download verwenden, um sie z.B. auf einer Webseite einzubinden. Sie wird als Open-Source gratis zur Verfügung gestellt. In der Online-Version kann man einen Account anlegen und seine Auswertungen speichern und mit anderen teilen.
Carculator Auswahl Fahrzeugtype
Derzeit ist die Kalkulation im Carculator nur für die Kategorie „Personenwagen“ aktiviert. Aber es ist geplant sowohl für Motorräder, Lastwagen, Züge und sogar Flugzeuge Kalkulationen im Carculator zu erstellen. In jeder Kategorie gibt es verschiedene Fragen, die man auswählen kann.
Je nach Fragestellung kann der User ein Modell wählen, in dem es leichter oder komplexer ist einen Vergleich zu erstellen. Wir haben hier einmal die Version für „Fortgeschrittene“ ausgewählt um einen kompletten Überblick über die Möglichkeiten zu bekommen.
Carculator Auswahl Verkehrsmittel
Durch Anklicken des jeweiligen Symbols, werden die Einstellungen dafür geladen. Zum derzeitigen Zeitpunkt (15.03.2021) war nur die Auswahl des Personenwagens möglich. Alle weiteren Schritte werden eigentlich sehr genau und Benutzerfreundlich auf der Webseite dargestellt. Nachdem das Verkehrsmittel ausgewählt wurde, folgt die Antriebsart.
Carculator Auswahl Antriebsart
Die erlaubten Werte für die Auswahl der Antriebsart kann man mit der Maus, von der jeweiligen linken Spalte in die rechte Spalte ziehen. Wir haben hier das Jahr 2021 ausgewählt – daran wird die Modernität der Betriebsmittel gemessen. Bei der Antriebsart haben wir Benzin, Diesel, Elektrisch und Brennstoffzelle ausgewählt um einen Vergleich der Werte für diese Antriebsarten zu erhalten. Bei der Grösse haben wir Mittelklasse gewählt, da von den Werten her, das die aktuellen Elektroautos am besten repräsentiert.
Carculator Auswahl Nutzung
Im Bereich „Nutzung“ des Carculators kann man den Fahrzyklus und das Land auswählen, für das die Analyse erstellt werden soll. Das Land kann man durch Anklicken auf der Karte auswählen. Anhand der Auswahl des Landes wird der Strommix vorgegeben. Die angegebenen Fahrzyklen entsprechend den heutigen Standard-Werten in der Autoindustrie. In Europa wird der WLTC-Zyklus (Deutsch WLTP) bevorzugt, in den USA der CADC-Zyklus. Wir haben hier das Land „Schweiz“ und den Fahrzyklus „WLTC“ eingestellt. Sofort werden dazu, weiter unten, alle Werte angezeigt, welche man noch verändern kann.
Die Werte für den Strommix in der Schweiz hat das PSI recherchiert und vorgegeben. Diese Werte kann man anpassen, sollte man anderer Meinung sein. Bei der Fahrzeugbelegung werde im Schnitt 1.5 Personen verwendet. Die Lebensdauer eines Fahrzeug wird mit 200’000 km vorgeschlagen. Eine Zuladung von 150 kg und eine jährliche Fahrleistung von 12’000 km werden angenommen. Diese Werte entsprechen den Durchschnittswerten in der Schweiz. Alle Werte kann man aber verstellen und so verschiedene Szenarien durchtesten.
Carculator Auswahl Tank-zu-Rad Wirkungsgrad
In der nächsten Einstellungsstufe kann man zu den ausgewählten Antriebstypen den Wirkungsgrad einstellen. Das PSI bietet hier eine Vorgabe aus den heute gültigen Daten. Durch Schieberegler kann man die Werte verändern, wenn man glaubt sein Fahrzeug habe andere Werte.
Carculator Auswahl Energiespeicherung
Im nun folgenden Bereich kann man für Elektroautos den Energiespeicher einstellen und für die Verbrenner die Kraftstoffmischung. PSI schlägt hier die Schweiz und den elektrischen Mittelklassewagen entsprechende Werte vor. Wir haben hier einmal die Werte so gelassen. In einer weiteren Auswahl kann man noch genaue Einstellungen zur Kalkulationsmethode machen. Interessant ist wohl die Auswahl für eine Flotte. Ist man nun fertig mit seiner Auswahl, kann man oben am Bildschirm auf den Button „Berechnen“ klicken. In kurzen Abständen werden nun Informationen über den Status der Berechnung angezeigt. Am Ende wird angezeigt, dass die Kalkulation fertig gestellt wurde und man auf diese Anzeige klicken soll. Danach gelangt man zu der Auswertung.
Carculator Ergebnis CO2 – Emission
Der Gewinner ist BEV!
In einer übersichtlichen Darstellung werden uns die Ergebnisse zum CO2-Äquivalent für die Herstellung, den Verbrauch und die Wartung der jeweiligen Fahrzeugtypen angezeigt. Das PSI geht in der Erklärung auf die Unterschiede bzw. die Genauigkeit ein. Auch wenn die einzelnen Werte noch ungenau sind, zeigt sich aber ein deutliches Bild. Die Herstellung und Nutzung von BEVs verursacht eindeutig weniger CO2 als die anderen Antriebsarten.
Fehlende Werte für viel Energie zur Herstellung der Komponenten bei ICEs / FCEVs
Sicher gibt es hier noch Optimierungsmöglichkeiten. Zum Beispiel wird hier der Wartungsaufwand in etwa bei allen Antriebssysteme gleich hoch eingestuft, was sicher nicht realistisch ist. BEVs haben erfahrungsgemäss einen viel geringeren Wartungsaufwand als alle anderen Antriebsarten. Weiterhin wird der Transport des Kraftstoffs von der Ursprungsquelle (Erdöl, Bohrturm) bis zum Endverbraucher nicht berücksichtigt, was bestimmt einem hohen Anteil an CO2 entspricht, er fehlt hier. Auch die Anlieferung der Rohmaterialien für alle grossen Metallteile in den Motoren und Antriebsstrang ist wohl nicht inkludiert.
Der rote Bereich für den Antriebsstrang wird bei ICEs und BEVs fast gleich gesetzt, was nicht sein kann. Der Anteil müsst bei Verbrennern viel höher sein, als bei BEVs, da der Rohstoff in viel grösseren Mengen aus weit entfernten Ländern hier her transportiert werden muss. Und die Verarbeitung aus Eisenerz zu Stahl in vielen energieintensiven Stufen zu sehr komplexen Bauteilen enorme Energiemengen benötigen. Weit mehr als bei Elektroautos. Ein ICE besteht aus rund 100’000 Einzelteilen, ein FCEV für „Fuel Cell Electric Vehicle“ (Fuel Cell = Englisch für Brennstoffzelle) aus rund 150’000 Teilen, aber ein BEV nur aus ca. 10’000 Teilen. Von denen auch noch viele nicht so veredelt und gehärtet werden müssen.
Carculator Ergebnis CO2 – Klimawandel
In den folgenden Schaubildern kann man im Carculator diverse Einstellungen vornehmen. So kann man die Auswirkung auf den Klimawandel nach Antriebsart anzeigen. Dabei zeigt sich, dass ein BEV bereits ab dem ersten Kilometer die Brennstoffzelle schlägt und ab ca. 26’000 Kilometern auch Benzin und Diesel hinter sich lässt. Das entspricht in etwa einer Nutzungszeit von 1,5 Jahren. Das widerlegt alle bisher von der Autolobby genannten Studien.
Einige der Werte erschliessen sich mir allerdings nicht. Wie können z.B. BEVs mehr „Ackerland“ nutzen als die anderen Antriebsarten? Und das auch noch steigend, je gefahrenem Kilometer? Auch sollen BEVs die Erschöpfung der Süsswasservorräte stärker beeinflussen und das auch mit zunehmend gefahrenen Kilometern.
Da gibt es sicher noch Optimierungsbedarf für die Berechnung beim PSI.
Carculator Ergebnis – Ökobilanz
In weiteren Schaubildern kann man verschiedene Betrachtungen einstellen und die Werte verschieben. Aufgeführt werden:
- Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit
- Auswirkungen auf das Ökosystem
- Erschöpfung der Ressourcen
- Kilometerkosten
Über Schieberegler kann man die Werte vergrössern und verkleinern. Jedoch sieht man klar und deutlich, dass bei jeder Einstellung die BEVs den kleinsten Fussabdruck auf der Erde hinterlassen.
Fazit
Der „Carculator“ vom PSI ist eine gelungene Methode die komplexen Zusammenhänge im Vergleich von Antriebssystemen darzustellen. Wie auch auf der Webseite vermerkt, sind noch nicht alle Bereiche vollständig ausgefüllt, fehlen noch viele Werte oder sie sind noch nicht so aussagekräftig wie man sie sich wünscht. Einige Punkt dazu habe ich in diesem Beitrag angemerkt. So wie das aber aussieht, werden die einzelnen Bereiche im Carculator vom PSI noch weiter ausgebaut und ausgefüllt, so dass man später zu immer genaueren Werten kommen wird. Eines ist aber schon jetzt ganz klar. Der Gewinner ist das rein elektrisch betrieben Fahrzeug. Die Batterieentwicklung bietet noch dazu in Zukunft ungeahnte Chancen, um den Fussabdruck extrem zu verringern, die Kosten zu senken und die Leistung zu erhöhen.
Rechnet man noch damit, dass diese Fahrzeuge in Zukunft mit Software ausgestattet werden, die ein autonomes Fahren mit Ride Hailing ermöglichen, reduziert sich ihre Anzahl bei On-Demand Diensten erheblich. Durch autonomes Fahren können rund 2/3 aller Fahrzeuge reduziert werden. Es können Unmengen an Platz für das Abstellen dieser Fahrzeuge eingespart werden. Aber auch die Fahrzeuge, die dann noch fahren, können, wenn sie nicht gebraucht werden, ausserorts abgestellt werden. Von der Einsparung an Ressourcen auf dieser Erde ganz zu schweigen.
Nachhaltige Entwicklung muss sowohl ökonomisch wie ökologisch Sinn machen. Mobilität die viel kostet, kann auch nicht ökologisch sinnvoll sein.