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Polestar-Crash

Polestars Rückzug aus China: Eine strategische Zäsur mit globaler Tragweite

Der plötzliche Stillstand in einem Schüsselmarkt

Der chinesische Automarkt gilt als der bedeutendste der Welt. Für viele Automobilhersteller ist er nicht nur Absatzmarkt, sondern auch Produktionsstandort und Innovationslabor. Umso gewichtiger ist die Nachricht, dass Polestar, die als Elektro-Premium-Marke gestartete Tochter von Volvo und damit Teil des Geely-Imperiums, in China nahezu keine Fahrzeuge mehr verkauft. Medienberichte zufolge verzeichnete das Unternehmen in den Monaten April und Mai 2025 keinen einzigen Neuwagenverkauf in China.

Diese Entwicklung markiert nicht nur eine unternehmerische Krise, sondern auch eine geopolitisch und wirtschaftlich relevante Wendung in der Struktur des globalen Automobilmarkts. Im Zentrum stehen strategische Neuausrichtungen, operative Probleme sowie ein verändertes Machtgefüge zwischen schwedischer Herkunft und chinesischem Einfluss.

Polestars chinesischer Exodus: Symptome und Ursachen

Nach aktuellen Berichten verkaufte Polestar im ersten Halbjahr 2025 in China lediglich 69 Fahrzeuge. Die Situation ist dramatisch: Der Online-Vertrieb wurde eingestellt, Probefahrten sind nur noch telefonisch buchbar, und die Zahl der Verkaufsstandorte wurde auf eine einzige Filiale in Shanghai reduziert. Der Rückzug manifestierte sich bereits im April mit der Auflösung des 2023 gegründeten Joint Ventures „Polestar Times Technology China Co.“, das für Forschung, Design und Vertrieb zuständig war.

Hinzu kommt der Abgang von Polestars China-CEO Wu Huijing, ersetzt durch Hu Shiwen. Auch dies ein Signal für tiefgreifende Umstrukturierungen. Zwar spricht das Unternehmen von einer „Neuausrichtung“ des Vertriebs, doch die Realität deutet klar auf einen schrittweisen Rückzug aus dem chinesischen Markt hin.

Die strategische Neuausrichtung: Europa als neuer Schwerpunkt

Während Polestar in China ins Stocken gerät, zeigen sich in anderen Weltregionen bemerkenswerte Zuwächse. Im ersten Halbjahr 2025 setzte die Marke weltweit 30.300 Fahrzeuge ab, was einer Steigerung um 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Neue Modelle, die Erweiterung des Portfolios sowie die Einbindung in das Volvo-Händlernetz trugen zur Belebung der europäischen Absatzzahlen bei.

Mit dem für 2026 angekündigten Polestar 7 soll erstmals ein Modell in Europa produziert werden – konkret in der Slowakei. Diese geografische Verschiebung ist mehr als nur Logistik: Sie signalisiert die Verlagerung des unternehmerischen Schwergewichts Richtung Westen.

Eigentumsverhältnisse und Machtverlagerung: Geelys Griff nach der Kontrolle

Die Kapitalstruktur Polestars hat sich im Laufe der letzten Jahre dramatisch verändert. Ursprünglich ein Joint Venture zwischen Volvo und Geely, übergab Volvo – seinerseits zu 79 Prozent in Geely-Hand – 2024 fast sämtliche Anteile direkt an Geely.

Im Juni 2025 erhielt Polestar eine Finanzspritze über 200 Millionen US-Dollar von PSD Investment Limited, einem Vehikel der Geely Holding Group unter Leitung von Li Shufu. Damit stieg sein direkter Anteil an Polestar auf 66 Prozent. Addiert man die Anteile von Volvo Cars, ergibt sich eine indirekte Geely-Kontrolle von über 80 Prozent. Der schwedische Hersteller Polestar ist faktisch ein chinesisches Unternehmen.

Tabelle: Eigentumsstruktur Polestar (Stand Juli 2025)

AnteilseignerBeteiligungKommentar
PSD Investment (Geely)66 %Direktbeteiligung unter Kontrolle von Li Shufu
Volvo Cars16 %Gehört zu 79 % zu Geely
Freier Streubesitz18 %Institutionelle Investoren, öffentl. Markt

Die geopolitische Dimension: Wenn Herkunft zur Hypothek wird

In Zeiten wachsender Systemkonkurrenz zwischen China und dem Westen geraten global aufgestellte Unternehmen zunehmend unter Druck, klare Positionen zu beziehen. Polestar befindet sich in einem geopolitischen Dilemma: Einerseits in Schweden beheimatet, europäisch positioniert, technologiegetrieben; andererseits finanziell, strukturell und produktionsseitig tief in chinesische Abhängigkeiten eingebettet.

Die Entscheidung, sich aus China weitgehend zurückzuziehen, kann vor diesem Hintergrund auch als Versuch gewertet werden, sich vom Image einer „chinesischen Marke“ zu lösen. Dies ist insbesondere auf westlichen Märkten, etwa in den USA oder Frankreich, verkaufspsychologisch bedeutsam. Chinesische Fahrzeuge sehen sich dort immer häufiger regulatorischen Hürden und sicherheitspolitischen Vorbehalten ausgesetzt.

Finanzierung und Schulden: Das Wachstum auf Pump

Trotz positiver Absatzzahlen ist Polestar hoch verschuldet. Die Erweiterung der Modellpalette (Polestar 5, Polestar 6 Roadster) und die Entwicklung neuer Fertigungsstandorte erfordern enorme Vorleistungen. Ohne die Kapitalzuführung durch Geely wäre eine Fortführung des Wachstums kaum möglich gewesen.

Zugleich ist unklar, wie tragfähig das derzeitige Geschäftsmodell ist. Die Produktion in China wird durch den Einbruch des dortigen Markts zur Belastung. Neue Standorte in Europa müssen erst aufgebaut werden. Und der Markteintritt neuer EV-Konkurrenten aus Asien, insbesondere BYD, Nio oder Xiaomi, erhöht den Wettbewerbsdruck.

Fazit: Polestars China-Krise als Spiegel globaler Umbrüche

Der Rückzug Polestars aus dem chinesischen Markt steht exemplarisch für die Herausforderungen, denen sich global operierende Unternehmen in einer multipolaren Weltordnung gegenübersehen. Die einstige Hoffnung, chinesische Produktionsvorteile mit westlicher Ingenieurskunst zu kombinieren, verliert zunehmend an Strahlkraft.

Polestars Strategie für die kommenden Jahre wird entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, in Europa und Nordamerika eine stabile Markenidentität aufzubauen, die Vertrauen schafft und gleichzeitig die ökonomischen Abhängigkeiten von Geely nicht zum Hemmschuh werden lässt.

Die nächsten Schritte – Produktionshochlauf in der Slowakei, Markteintritt neuer Modelle, Schuldenabbau – werden zeigen, ob Polestar in der Lage ist, sich aus der geopolitischen Zwickmühle zu befreien und langfristig als Premiumanbieter am globalen EV-Markt zu etablieren.

Quellen:

  • carnewschina.com
  • yicaiglobal.com
  • Unternehmensangaben Polestar (IR)
  • Reuters, Bloomberg (Finanzdaten)
  • eigene Recherchen

Dieser Text auf carmart.ch wurde von der Gordian Hense, Oftringen, Schweiz, erstellt und zur Verfügung gestellt. Das Copyright für diesen Text liegt bei der Gordian Hense, Oftringen, Schweiz. Gordian Hense bietet Dienstleistungen in den Bereichen Copywriting, Content-Erstellung, SEO und mehr an. Bei Interesse an diesem Text oder der Erstellung hochwertiger Inhalte wenden Sie sich bitte an Gordian Hense in Oftringen (siehe auch Impressum).

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