Sursee / Schweiz. Wenn es in der Europäischen Automobilindustrie nicht um so viele Arbeitsplätze gehen würde, wäre die Situation bei manchen Autoherstellern und den darüber schreibenden Journalisten als eine aberwitzige, groteske Farce anzusehen. Alle Anderen sind schuld und sie sind das arme Opfer der Entwicklungen. Das Thema Diesel-Fahrverbot ist spätestens seit dem massiven Betrug des Volkswagenkonzerns, inkl. seiner Tochterunternehmungen, an seinen Kunden in aller Munde und wird nun wie ein heisser Stein von einem zum anderen gereicht. Das geht jetzt schon Jahre so. Lösungen hat die Industrie, nach vielen Jahren, immer noch nicht. Man hat auch das Gefühl, dass sie sich bockig wie ein Kleinkind, gegen alles wehren und auf den Boden schmeissen, weil sie bei ihrem Betrug ertappt worden sind.
Die Kunden, die Mitarbeiter, die Zulieferer, die Bürger und die Politik werden im Regen stehen gelassen. Das Bild das die Industrie für die Kunden bietet ist im Marketing als ein Desaster zu bezeichnen. Der komplette gute Ruf der Deutschen Autoindustrie ist dahin. Es wird viel Zeit und noch mehr Geld kosten, diese Image-Schädigung in den Köpfen aller Beteiligten wieder gut zu machen. Besonders leidtragende sind die Unternehmen, die sich redlich an die Bedingungen gehalten haben und nun mit in einen Topf geworfen werden.
Nun ist die WLTP schuld?
Bestes und jüngstes Beispiel für diese „Bockigkeit“ ist die aktuelle Einführung des WLTP (Worldwide Harmonised Light Vehicle Test Procedure). Die Autobild meldet „WLTP reisst ein tiefes Loch“. Gemeint sind die aktuell, desaströs schlechten Absatzzahlen bei VW, Audi, BMW und Mercedes. Falsch, die Fehlplanung und der Unwille mancher Autohersteller reisst ein tiefes Loch – liebe Autobild. Ganz in der klassischen Manier des heutigen Journalismus schreibt die Autobild aber so wie es die Autohersteller hören wollen und es den Kunden und der Bevölkerung vorgegaukelt werden soll. Audi, VW, BMW und Mercedes haben, laut Autobild, starke Absatzrückgänge „durch“ die WLTP-Einführung im September 2018. Was für ein Witz. Die Hersteller kannten das Datum ja schon seit Jahren und hätten sich „bewegen“ können.
Aber worum geht es? Die WLTP ist eine neue weltweite, einheitliche Prüfmethode die bei Fahrzeugen (Leichtfahrzeugen) die Abgas- und Verbrauchswerte unter möglichst realistischen Bedingungen erfassen und testen soll. Bereits im Jahr 2012 hat das Europäische Parlament, Zitat:“die Verordnung (EG) Nr. 443/2009 hinsichtlich der Festlegung der Modalitäten für das Erreichen des Ziels für 2020 zur Verringerung der CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen“ beschlossen. Seit 2012 wurden alle Autohersteller aktiv in die Entwicklung des WLTP – Verfahrens einbezogen und konnten daran mitwirken. Sie kennen das also seit mindestens 2012 in- und auswendig. Trotzdem wurde dann durch die US-Behörden 2015 (drei Jahre später) eine massive Manipulation, zu erst bei VW entdeckt, später folgten andere. Man kann also sagen, die Industrie kannte alle Umstände und hat bewusst und vorsätzlich dem zuwider gehandelt. In den USA galten zwar zu diesem Zeitpunkt auch schwächere Prüfmethoden, diese wurden aber trotzdem umgangen und hinterschlichen. Zu dieser Zeit galt immer noch das alte „NEFZ“ Prüfverfahren, das nur lokal auf einem Prüfstand stattfand. Die Gesetze schrieben aber vor, dass die Werte auch während der Fahrt eingehalten werden mussten.
Parallel zu dieser Zeit wurde das WLTP – Verfahren aufgebaut und definiert. Lange Jahre vor 2018 war klar, dass diese Prüfmethode im Jahr 2018 eingeführt werden sollte. Tatsächlich wurde sie dann im Juni 2017 endgültig beschlossen, sie war aber über Jahre vorher bekannt. Somit kann keiner behaupten, die Industrie sei nun davon „überrascht“ worden. Es ist grotesk und entlarvend wie und welche Medien darüber schreiben.
- Die Wirtschaftswoche schreibt am 02.06.2018: „Autoindustrie kritisiert schnelle Einführung des Abgastests„!
- Die ZEIT schreibt am 02.06.2018: „WLTP-Testverfahren: Industrie kritisiert überhastete Einführung neuer …„!
- Die Autobild schreibt am 04.10.2018: „WLTP reißt ein tiefes Loch. Die Pkw-Zulassungen in Deutschland sind im September 2018 um satte 30 Prozent eingebrochen. Schuld ist das neue WLTP-Abgasmessverfahren. Vor allem Audi leidet.„!
- Die Auto-Wirtschaft schreibt am 28.06.2018: „WLTP: Lieferengpässe bei Hersteller und die …„
Mehr Absatz durch WLTP?
Der Tenor in den Medien, aber auch bei manchem Hersteller, liest sich als Entschuldigung für die Autoindustrie und sucht den Schuldigen bei den Machern der WLTP und deren angeblich zu schnelle Einführung, obwohl diese mit allen abgestimmt wurde. Unter dem Strich geht es der Autoindustrie um einen Trick zur Erhöhung ihres Absatzes. Denn vor der Einführung der WLTP hat man die Kunden verrückt gemacht und vor der WLTP gewarnt. „Beschaffen Sie sich schnell noch ein Auto bevor die WLTP in Kraft tritt.“ Dadurch wurden tausende Fahrzeuge an Kunden, aber auch an Händler verkauft die Angst haben später ein eingeschränktes Fahrzeug zu bekommen. Ein grosser Rest wurde auf Halde produziert. 2/3 der verkauften Fahrzeuge wurden gar nicht an Endkunden verkauft, die stehen jetzt bei Händlern und auf Halde. Absatz heisst nicht immer „verkauft“. So nutzt man die Einführung der WLTP um den Kunden und Händlern Angst zu machen und sie zu Käufen zu treiben. Danach kann man noch die Politik für angebliche „Rückgänge“ schuldig sprechen, die dann in der Folge den Mitarbeitern Angst vor Kurzarbeit einreden soll. Besser geht es doch für die Konzerne nicht.
Am Ende des Jahres, da bin ich mir sicher, vermelden genau diese Hersteller „Rekord Verkaufszahlen“ für 2018. Die Aktionäre glauben das und die Kurse steigen wieder. Es fliesst viel Geld in die Kassen, mit dem man sich bei einem Batteriehersteller in Asien einkaufen kann. Denn die Elektroautowelle wird kommen. Mehr will man nicht.
Informationen: WLTP Facts